Vor lauter Müdigkeit können wir uns kaum auf den Beinen halten, immer wieder wechseln wir schlaftrunken unsere Position. Mal sitzen wir zusammen gekuschelt auf der kleinen Treppe vor dem Gebäude, mal wandern wir den Pier entlang in Richtung des Katamarans, der uns am nächsten Morgen nach Ko Tao bringen wird. Wir sind die einzigen Passagiere, die vor dem Fährhäuschen diese Nacht keinen Schlaf finden. Und dennoch sind wir nicht ganz alleine in dieser verregneten Nacht, an den Wänden lauern unzählige Geckos auf ihren Mitternachtssnack, große Libellen und andere Insekten werden von der nächtlichen Beleuchtung angelockt und tanzen vor den hohen Leuchtstoffröhren ihren letzten Tanz. Der Betreiber des Fährhäuschens sitzt vor dem Fernseher und amüsiert sich köstlich über eine thailändische Sendung. Der Rest der Reisenden liegt überall verstreut auf Bänken und Stühlen, ebenso wie ein streunender Hund, der sein Nachtquartier inmitten all dieser Menschen auf einem Tisch gefunden hat.
Es ist 3 Uhr in der Früh, da unser Bus mit einiger Verspätung startete hatten wir gehofft, dass wir die Nacht durchfahren würden. Doch diese Erwartungen wurden enttäuscht. Nach etwas über sieben Stunden Fahrt warten wir hier nun völlig übernächtigt darauf die erste Fähre des Tages zu besteigen, doch diese wird frühestens in vier Stunden ablegen. Wir hätten sicherlich im Bus schlafen können, aber die richtige Schlafposition ließ sich einfach nicht finden. Auch etwas, das wir im Laufe dieser Reise noch lernen müssen. Das Schaukeln der Fähre wiegt uns dann aber doch noch in den Schlaf und so erscheint wenigstens die letzte Etappe der Reise vergleichsweise kurz und schließlich haben wir das Ziel endlich vor Augen. Nach einer knapp 15 stündigen Reise setzen wir Fuß auf Ko Tao und wurden für die Strapazen reich belohnt. Vor uns lag im blauen Wasser eine kleine dicht bewachsenen Insel mit weißem Sandstrand. Quasi so wie man sie bei uns in Reiseprospekten bewundern kann.
Die ersten Tage verbrachten wir in einem Vierbett-Zimmer im Hostel, die meiste Zeit blieben wir jedoch zu zweit. In den nächsten Tagen erkundeten wir ausgiebig die Insel, hauptsächlich den südlichen Zipfel, den wir uns zur befristeten Heimat auserkoren hatten. Wir probierten uns durch verschiedene Restaurants und wurden auch hier nie enttäuscht auf unserer Suche nach gutem Essen. Anders als die meisten Touristen, von denen es zur Zeit nur eine relativ überschaubare Zahl auf der Insel gab, erkundeten wir unsere Umgebung zu Fuß statt auf dem Roller. Das ermöglichte uns natürlich nur die Erfassung eines kleinen Areals, aber bereits in Bangkok sind wir immer gut zu Fuß unterwegs gewesen. Schon am zweiten Tag kletterten wir über einen recht abenteuerlichen Weg zum John Suwan Mountain Viewpoint und blieben dort eine ganze Weile sitzen um die Aussicht auf uns wirken zu lassen. Dank einer netten Frau aus Freiburg konnte Kevin dann auch am Freedom Beach das erste Mal schnorcheln.
Doch beim Schnorcheln sollte es natürlich nicht bleiben. Kevin strebte größere Tiefen an und meldete sich zeitnah in einer Tauchschule an, um den Tauchschein zu machen. Nun wurde abends beim Essen fleißig gelernt und die App verflucht, die noch ziemlich unausgereift, aber zur Theorieprüfung unumgänglich war. Da er aber hier in seinem Element ist, waren sowohl die theoretischen Tests, als auch die ersten Tauchgänge mit Erfolg gekrönt und er selbst so begeistert, dass dem Grundkurs direkt ein Erweiterungskurs folgte. Bereits nach zwei Tagen durfte ich den zurecht stolzen Lehrling als „Man of open water“ betiteln und war begeistert, wenn er mir von den Fischen, Korallen und Krebstieren erzählte, die er beim Tauchen mit eigenen Augen bewundern durfte.
Ich wünschte mir währenddessen nichts sehnlicher, als dabei sein zu können, aber finanzielle und vorallem gesundheitliche Gründe machten mir eine Kursteilnahme unmöglich. Diese Enttäuschung, gekoppelt mit einem enormen Schlafdefizit durch die nächtliche Geräuschkulisse unserer Unterkunft sorgten dafür, dass ich in mein erstes tiefes Loch fiel. Ich konnte mich zu nichts motivieren und das obwohl das Paradies vor der Haustür lag und brach völlig zusammenhangslos in Tränen aus. Es fiel mir schwer, die Zügel aus der Hand zu geben und einfach mal nicht mehr nur „Funktionieren“ zu müssen. Alltägliche Strukturen bieten eben doch auch Sicherheit. Ich kann von Glück reden einen Reisepartner wie Kevin an meiner Seite zu haben, denn anstatt genervt von meinem irrationalen Verhalten zu sein baute er mich mit viel Verständnis und Zuneigung wieder auf. Auch wenn es keine besonders einfachen Tage für mich waren, hat uns die Zeit auf der Insel noch enger zusammengeschweißt, wir können aufeinander bauen und wissen jetzt, dass wir alles zusammen schaffen können.