Night diving deserves a quite night

Als wir langsam mit dem Boot in den Sonnenuntergang fahren, habe ich plötzlich dieses Lied von R.E.M. im Kopf. Ich weiß nicht so recht wieso, geht es in dem Lied doch vielmehr um Nacktschwimmen inmitten der Nacht. Aber eben auch um die Vergänglichkeit von schönen Momenten und das hier war definitiv einer dieser Momente. Neoprenanzüge hatte ich mir allerdings immer heißer vorgestellt. So hauteng und perfekt sitzend wie die Kostüme, in denen man Superhelden normalerweise darstellt. Wieder was gelernt, jeden Tag ist es eine neue Banalität. Als Kevin mitsamt seinem Tauchlehrer im dunklen Wasser verschwindet und nur noch der Schein der Taschenlampen von unten die Wasseroberfläche erhellt, kreuzt eine Libelle diesen Weg und hinterlässt im Flug Kreise im Wasser. Wie auch die großen Schaben, die in großen Anzahl unter meinen Füßen auf dem Schiff herum wuseln, gibt es Libellen in solcher Fülle auf der Insel, dass es manchmal so aussieht als würden Heerscharen kleiner Drachen den Himmel bewohnen. 

Tauchen erscheint mir kompliziert. Soviele Handzeichen für jedes Manöver, für jeden Fisch, jede Handlung, dass es sich hier fast um eine rudimentäre eigene Sprache handelt. Wer lernt schon eine Sprache in ein paar Tagen? Und dennoch, Kevin gelingt es. Die vielen Messinstrumente und Gerätschaften, die man nicht nur bei sich tragen, sondern auch stetig beachten muss, lassen alles für mich in einem hochkomplexen Licht erscheinen. Und am Ende des Tages ist ein Tauchgang auch eben nicht wie ein Lauf im Park oder eine Runde mit dem Fahrrad durchs Gelände. Steigt man zu schnell auf, ereilt einen die Taucherkrankheit. Das nächste Krankenhaus mit Dekompressionskammer ist einige Kilometer entfernt auf der nächsten Insel. Kho Samui in unserem Fall, innerlich hoffe ich, dass wir nie aus gesundheitlichen Gründen von unserer Route abkommen müssen. Bis jetzt hat uns zumindest noch nicht einmal Montezumas Rache ereilt, unser Optimismus ist bis jetzt ungebrochen.

Kurz bin ich besorgt, ich denke daran zurück, dass Kevin schließlich auch schon mit der Höhenkrankheit gekämpft hatte, das hier war ja nur die entgegengesetzte Richtung. Ein Tiefenrausch tritt erst bei Deep Dives ab circa 30 Metern Tiefe auf, wenn die Stickstoff-Konzentration im Blut zu hoch ist kann es zu Störungen des zentralen Nervensystems kommen. Das Wort ‚Rausch‘ war für mich immer eher positiv belegt gewesen. Doch wie auch beim Bergsteigen sind manche Dinge es eben wert, wenn man ein Risiko für sie eingeht. Liebend gerne sehe ich mir Dokumentationen über die Unterwasserwelten der verschiedensten Länder an, schon seit ich ein Kind bin. Ich beneide Kevin sehr um die Möglichkeit, die Lebewesen nun mit seinen eigenen Augen zu sehen, die ihm der Tauchlehrer zuvor in einem laminierten Buch gezeigt hat. Mir bleibt nur die Beobachtung der Schaben, die wie vom Teufel gejagt auf Deck auf und ab laufen. 

Vor diesem Nachttauchgang hatte aber auch Kevin Respekt. Man sieht nichts, was nicht in den Lichtkegel der Taschenlampe fällt. Panik ist keine Option. Die Nacht hat innerhalb der letzten halben Stunde mit einem hastigen Schluck das Licht aus der Welt gesaugt. Rhythmisch schaukelt das Boot über der endlosen schwarzen Tiefe des Golfs von Thailand. Und während die Schwärze der Nacht in alle Ecken des Blickfelds sickert denke ich mir, dass das Leben doch vollkommen reizlos wäre, würde man nicht hier und da den Mut aufbringen und etwas riskieren, das einem Angst macht und ich bin stolz auf Kevin. 

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