2400€ beträgt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Laos im Jahr 2018, laut Angaben des Auswärtigen Amts, in Deutschland wäre das ein überschaubares Monatseinkommen. Eine himmelweite Entfernung liegt zwischen diesen abstrakten Werten, eine Distanz beinahe so schwer zu überbrücken, wie die Distanz von Deutschland nach Laos zu Fuß, wenn man abstrakt weiterdenken möchte. Verglichen mit den Lebenshaltungskosten im Land ist es schlussendlich doch ein Wert von dem es sich leben lässt. Aber das Geld nicht alles im Leben ist merkt man eben auch erst, wenn man genug dieses flüchtigen Guts sein Eigen nennen durfte und selbst daran, was ‘Genug’ davon ist scheiden sich die Geister. Obwohl wir in einer Gesellschaft leben, in der niemand Mangel leidet sind wir Neider, das zeigt nicht zuletzt die Flüchtlingsdebatte. Viele von uns wollen nichts abgeben von unserem hart erarbeiteten Wohlstand, treten fauchend denen entgegen, die es wagen etwas von unserem Kuchen abhaben zu wollen. Die meisten, die hierher kommen um Zuflucht zu finden wollten es nicht einmal, doch sie hatten keine Wahl.
Wir sind die feindliche Haltung gewohnt, sind wir ja damit aufgewachsen, doch hier in Laos werden wir erneut an unsere Grenzen gebracht. Nicht von der Abwehrhaltung, sondern von der Offenheit einer Nation, in der Menschen nicht um die neuste Unterhaltungselektronik, sondern mitunter um Nahrungsmittel konkurrieren. Circa siebzehn Prozent der Bevölkerung sind unterernährt, nur zwei Drittel der Männer und rund ein Drittel der Frauen können lesen und schreiben und nur knapp vierzig Prozent der Menschen hat überhaupt je die Chance gehabt eine Schule von innen zu sehen und trotzdem betrachtet man uns nicht mit Verachtung und mit dem Neid, den man den Einwohnern dieses Landes nicht einmal absprechen könnte.
Laos ist ein Entwicklungsland, vom Wortlaut her also eine Land, das noch inmitten einer Transformation steckt. Die Frage ist wie erstrebenswert ein Wandel zur Moderne ist, eine Adaption aller westlichen Werte und Standards. In vielen Bereichen, wie zum Beispiel der medizinischen Versorgung ist eine Verbesserung wünschenswert und ohne Frage positiv zu bewerten, ob wir aber mit unserer westlichen Effizienz-Kultur auch noch dem letzten Land seine inhärente Lebensfreude nehmen müssen bleibt für mich fraglich. In meinen Augen ist es so, dass wir zwar glauben, dass Menschen in Entwicklungsländern so viel von uns zu lernen haben, aber am Ende des Tages bin ich es, der hier wieder leben lernt, lernt was es heißt am Leben zu sein und wie dankbar ich dafür sein kann. Deutschland hat mich nur gelehrt zu funktionieren, meinen Platz zu finden, in der Maschinerie, die eine Industrienation am leben erhält, aber so effizient, so abgehärtet und so zielgerichtet bin ich nun eben auch. Habe die Scheuklappen nicht gesehen, die ich mir selbst aufsetzen musste, um mich nicht vom Ziel ablenken zu lassen. Hier brauche ich diese Scheuklappen nicht mehr, hier darf ich das Leben in all seiner Tragweite und in all seiner Farbigkeit sehen, hinterfragen und neu verstehen.
Dies ist keine Beschwerde über das Leben in Deutschland, ich bin dankbar in einem Land aufgewachsen zu sein, das mir soviel geschenkt hat. Ein sicheres Gesundheitswesen, eine solide Schul- und Weiterbildung, eine weitestgehend aufgeklärte und kritische Gesellschaft und vorallem die deutsche Natur, die ich von ganzem Herzen liebe, in all ihrer Vielfalt. Auch will ich nicht die ganze Bevölkerung Deutschlands an einen Pranger stellen und über einen Kamm scheren, aber ich denke, dass es sinnvoll ist dann und wann über den Tellerrand zu schauen, den eigenen Horizont zu erweitern und sich selbst zu hinterfragen. An diesen Punkt komme ich bei dieser Reise bei mir selbst nämlich ständig: Wer bin ich in der Welt? Was tue ich für die Welt? Wo ist mein Platz in dieser Welt? Und ich mag diese Fragen, denn mit jedem Schritt den ich mache definiere ich sie neu und mit jeder Entscheidung, die ich treffe, habe ich neue Antwortmöglichkeiten. Laos lässt mich wieder sehen wie schön die Welt ist und was für ein Glück ich habe heute aufgewacht und am Leben zu sein.