Wie fühlt es sich an, alles hinter sich zu lassen, die Zelte abzubrechen, wie man so schön zu sagen pflegt? Wie fühlt es sich an Familie und Freunde auf unbestimmte Zeit zu verlassen, der Heimat den Rücken zu kehren? Wie fühlt es sich an, wenn man alle Sicherheiten aufgibt, um in eine Vielzahl fremder Kulturen einzutauchen mit denen die Interaktion meist schon schlicht an der Sprachbarriere scheitert? Habt ihr keine Angst? Seid ihr nicht schrecklich aufgeregt, unsagbar nervös? Beide haben wir uns diese Fragen so oft gestellt, wie es die Zeit im engen Planungsrahmen zuließ, haben oft darüber nachgedacht, ob wir uns nicht mehr fürchten sollten, ob es uns nicht mehr schmerzen sollte all die Schätze, die wir durch harte Arbeit in den letzten Jahren zusammengetragen haben zu veräußern? Knapp 11.000 m über den Wolken scheinen diese Fragen nun vollkommen nichtig. Soviele Fragen, nicht nur an uns selbst, auch von anderen, Unmengen an Möglichkeiten, die uns verunsichern sollten, es aber nicht konnten.
Wir haben umsonst gewartet, die Ängst und Zweifel kamen nicht, auch nicht als wir dann endlich das Flugzeug bestiegen und uns vom heimatlichen Boden lösten, ohne Rückflugticket, auf unbestimmte Zeit in der Fremde. Ohne es zu wollen hat man doch immer Erwartungen und ungefragt stellen alle Mitmenschen eben diese Erwartungen an uns, ohne böse Absichten versteht sich, was hat man auch vom Unerwarteten zu erwarten? Und dennoch mochte uns kaum jemand glauben, als wir sagten, dass uns selten ein ernster Zweifel plagte. Kleine Panikattacken kamen unvermittelt, in kurzen Ruhephasen, diesen seltenen paar Minuten, in denen man nicht gerade bis zum Hals in den Vorbereitungen vertieft war, mit dem Geist dem daheimgebliebenen Körper schon voraus. Doch auch diese Momente vergingen, wie kleine Schatten, die kurz über den schwachen Geist huschten, nur um kurz zu versuchen an der eigenen Überzeugung zu nagen, sich zu nähren von Zweifel; doch dieser Hunger blieb ungestillt. Und so mussten wir auch unsere Mitmenschen enttäuschen, die von uns Zweifel und Ängste erwarteten.
Mit den Gefühlen ist es eben so eine Sache, man kann sie nicht messen, nicht regeln, nicht zwingen, auch wenn man oft wünscht man könnte es. Wie alle Dinge im Leben, die nicht fassbar sind, sind eben auch Gefühle jeder Art subjektiv. Jeder fühlt sie anders, jeder unterschiedlich stark. Am schönsten sind Gefühle und Gedanken jedoch immer, wenn man sie teilen kann, sich einig ist, wie man über ein Vorhaben fühlt. Und während sich um uns herum alle Menschen einig waren, dass wir doch ein bisschen eigen waren, dass unser Vorhaben uns nicht besorgte, einte uns von Anfang an die Zuversicht, dass wir in diesem Moment genau den richtigen Weg eingeschlagen hatten. Und vermutlich liegt darin auch das begründet, was soviele unserer Freunde und Verwandten uns als „Mut“ attestierten. Weil es eben keines Mutes bedarf, wenn man sich absolut sicher ist, dass man die richtige Entscheidung getroffen hat. Zweifel und Ängste sind wohl die stetigen Begleiter einer jeden wegweisenden Entscheidung, aber wenn man merkt, dass einem der diese verrückte Schuh passt, den man sich ganz gewagt aus dem Regal genommen und angezogen hat und wenn man dann auch noch als Paar gewagter Schuhe gut funktioniert, dann kann man guter Hoffnung sein, dass man auch einen so langen Weg gemeinsam unbeschadet gehen kann.
Ohne Frage besorgt uns die Zukunft, sie besorgt uns alle jeden Tag. Von weltbewegenden Fragen wie den verheerenden Folgen, die Klimawandel und Überbevölkerung für uns haben werden, bis hin zu alltäglichen Nichtigkeiten, wie die Frage, ob man sich in einem Vorstellungsgespräch gut präsentiert oder ob man sich an den richtigen Partner bindet; nichts ist sicher, aber alles ist möglich. Und anstatt sich immer von den Sorgen fressen zu lassen, die das Leben ohnehin vor unsere Füße schmeißt wie kleine Stolpersteine, sollten wir vielleicht einfach öfter die Möglichkeiten wahrnehmen und umarmen, die das Leben uns bietet. Im Gegensatz zu unendlich vielen Menschen auf dieser weiten Welt haben wir beide die Chance uns zurück auf die Spuren unserer nomadischen Vorfahren zu begeben und ohne viel Hab und Gut die Schönheit und die Schattenseiten der modernen Welt mit unseren eigenen Augen zu sehen. Es wird Höhen und Tiefen geben und ohne Frage werden Tage kommen, die uns an unserer Entscheidung zweifeln lassen und die uns an den Rand der eigenen Erfahrungen und Kapazitäten bringen. Aber das hier ist unsere Chance zu wachsen, nicht nur im Geiste, sondern auch im Herzen und wir wissen dieses Privileg zu schätzen. Ein großes Dank geht hiermit raus an alle unsere Familienmitglieder und Freunde, die mit all ihrer Unterstützung und Zeit dafür gesorgt haben, dass wir den großen Schritt in die weite Welt machen konnten, ohne euch wäre dieses Vorhaben um einiges schwerer gewesen.